Apfelstädter Jugendkirmesgesellschaft e.V.

 

Der Termin der Kirmes

Wie in jedem thüringischem Dorf, wurde schon in alten Zeiten die jährliche Wiederkehr der Kirchweihe gefeiert. Soweit, wie sich die heutigen Apfelstädter zurückerinnern können, wird dieses Fest in unserem Ort am Wochenende vor Totensonntag gefeiert. Ob dies jedoch der wirkliche Termin des Jahrestages ist, darf bezweifelt werden. Zumal der Namenspatronin der Apfelstädter Kirche, der heiligen Walpurga, der 30. April zugedacht ist und eigentlich keine Verbindung zum Novembertermin erkennbar ist. Vielmehr ist anzunehmen, dass den Bauern die Kirmes nach der Erntezeit besser in den Terminplan passte, und sich so das besagte Wochenende einbürgerte. Jahrzehntelang war es so Tradition bis 1993 eine Neuerung gewagt wurde. In diesem Jahr verteilten wir die Kirmesveranstaltungen erstmals auf zwei Wochenenden. Die eigentliche Kirmes fand im Oktober statt und zum traditionellen Datum feierten wir eine Nachkirmes mit der Kirmesbeerdigung.

 

Die Kirmestage

Gefeiert wurde stets ab dem Freitag, als mit dem Tannensetzen und dem Schmücken des Saals begonnen wurde.

Samstag, Sonntag und Montag waren die Hauptkirmestage. Samstag- und Sonntagabend fanden Bälle statt. In früheren Zeiten, als die Kirmes den Höhepunkt des jährlichen Festkalenders darstellte und sonst keine alternativen Angebote bestanden, wurde auch in Apfelstädt auf zwei Sälen gleichzeitig getanzt,(im „Weißen Roß“ und im Gasthof „Zum Goldenen Apfel“ in der Hauptstr.31). Der Sonntag und der Montag begannen mit den Ständchen im Dorf . Am Sonntagnachmittag versammelte sich die Kirmesgesellschaft in der Kirche, wo der eigentliche Anlaß mit einem Gottesdienst celebriert wurde. Auch der restliche Montag bot noch reichlich Veranstaltungen. Am Nachmittag wurde den Kindern zum Tanz aufgespielt und noch am selben Abend gab es einen Ball mit einer zünftigen Kirmesbeerdigung.

 

Im Wandel der Zeit

Ein volles Programm also, das da an einem Wochenende über die Bühne ging. Doch in den modernen Zeiten mit Fernsehen, Kino und vor allem Discos als Konkurrenz, wurde es immer schwerer, die Säle zu füllen. Auch der Montag erwies sich nach und nach als ungünstiger Termin, da immer mehr Leute in saisonunabhängigen Berufen an diesem arbeiten mussten. Mitte der achtziger Jahre entschloß sich die damalige Kirmesgesellschaft, das gesamte Programm um einen Tag nach vorn zu verlegen, also von Donnerstag bis Sonntag zu feiern. Trotzdem wurde es immer schwerer, das Publikum zu erhalten, zumal die Kirmes als privat organisiertes Fest kaum auf Unterstützung der DDR-Behörden zählen konnte. Ein Kirmesgottesdienst fand aus Gründen dieses staatlichen Umfeldes auch mehrere Jahre nicht statt. Eine Kirmesbeerdigung gab es einige Zeit lang nicht in Apfelstädt. In den Jahren der Wende, als viele neue Eindrücke lockten, drohte eine Tradition, die hier, im Gegensatz zu anderen Dörfern, zwei Weltkriege und zwei Regime überdauerte, ganz und gar zu Ende zu gehen. Auch Experimente, z.B. einer Disco statt einem Ball am Freitagabend, brachten kaum mehr Leute, als die Veranstalter auf den Saal.

Nach und nach besannen sich die Apfelstädter, welch wertvolles Erbe sie besaßen und es gab doch keinen Bruch dieser außerordentlich langen Traditionslinie. In den letzten Jahren kann die Jugend als Veranstalter wieder auf drei sehr gut besuchte Abendveranstaltungen (wenn auch an zwei verschiedenen Wochenenden) zählen. Seit 1990 findet wieder der Kirmesgottesdienst statt, um an die Herkunft des Festes zu erinnern. Seit 1993 wird die Kirmes auch wieder einmal im Jahr zünftig zu Grabe getragen, zur allgemeinen Belustigung der Gäste.

 

Der Verein

Seit altersher war die Kirmes ein Fest der Jugend, welches auch von dieser in Eigenregie organisiert wurde. Ab einem Alter von 16 Jahren kann jeder Apfelstädter mitmachen, solange er sich noch zur Jugend zählt. Die Kirmesgesellschaft war stets nur eine lose Gemeinschaft. Einmal im Jahr trat man zusammen, um die Kirmesveranstaltungen vorzubereiten und dieses Wochenende zu feiern. Wer heutigen Tages eine Veranstaltung dieser Art organisiert, weiß aber, dass man damit erhebliche, vor allem finanzielle Verpflichtungen eingeht. Im heutigen Deutschland ist es unumgänglich, das Verträge nur bei einer gegebenen rechtlichen Absicherung ausgehandelt werden können. Im Jahr 1994, als sich die Kirmesgesellschaft fast vollständig aus neuen Leuten formierte, wurde eine heftige Diskussion geführt, ob ein Verein nach bundesdeutschem Recht gegründet werden sollte. Denn bei der Apfelstädter Jugendkirmes besteht im Gegensatz zu anderen Vereinen das Problem, dass innerhalb der sehr kurzen Zeit von nur ca. 5 Jahren die Mitgliedschaft stets einmal komplett wechselt und ein solcher Schritt demnach Konsequenzen für die rasch Nachfolgenden hat, die noch gar nicht beteiligt sind. Doch die Absicherung der Veranstaltungen wog schwerer, und so fand am 21. Oktober 1994 die Gründungsveranstaltung der „Apfelstädter Jugendkirmesgesellschaft e.V.“ statt. Am 13. Januar 1995 wurde diese Gründung dann durch die Eintragung ins Vereinsregister des Amtsgerichtes Erfurt unter der Vereinsnummer VR258-L amtlich bestätigt. Als Gründungsmitglieder unterschrieben damals:

O. Seyring, T. Ludwig, C. Trott, S. Boy, D. Armster, K. Koch, D. Zitzmann, N. Schöneweiß, K. Gedicke, A. Kalb, M. Baumann, A. Reich, T. Kalb, J. Göring, A. Koch, W. Löhr

Zum Vorstand, der in dieser Zusammensetzung noch besteht, wurden damals gewählt:

 

Seit Bestehen des Vereins übernimmt dieser neben der Kirmes im Herbst, auch die Ausrichtung des jährlich stattfindenden „Tanz in den Mai“ am Abend des 30. April. Somit ist auch etwas mehr Kontinuität in der Vereinsarbeit über ein Jahr gegeben. Trotzdem sind unter den  ca. 30 Vereinsmitgliedern in jedem Jahr neue Namen und Gesichter und nur ein Stamm von etwa 20 jungen Leuten ist über längere Zeit dabei.

 

Die Veranstaltungen

 

Das Tannensetzen

Für die Burschen beginnt die Kirmes schon am Donnerstag Nachmittag. Mit Traktor und Anhänger fahren sie hinaus zum Apfelstädter See. Damit die Zeit nicht zu lang wird, nimmt man sich ausreichend Verpflegung mit. Am See angekommen, ist die Stimmung schon bestens. Unter den wachsamen Augen des dortigen Jagdpächters suchen sich die Kirmesburschen zwei gut gewachsene Fichten aus, die dann gefällt und mit Aller Hilfe hinausgetragen werden. Auf dem Heimweg wird dann mehrfach der Kirmesspruch geübt und dann bei einer Rundfahrt durchs Dorf allen Einwohnern kundgegeben, dass Kirmes ist in Apfelstädt. Vor dem Gasthof beginnt dann der schwierigere Teil der Aufgabe. Die Bäume müssen aufgestellt und ausgerichtet werden, was jedes Jahr schwerer wird, da die Apfelstädter Fichten jedes Jahr fast einen Meter zulegen. Nach getaner Arbeit begibt man sich dann hinein zu den Mädchen, die in der Zwischenzeit dem Saal den letzten Schliff gegeben haben, und der Beginn der Kirmes wird gebührend gefeiert.

 

Die Ständchen

Die Ständchen für jeden Haushalt des Dorfes stellen stets die anstrengendste Veranstaltung des Kirmeswochenendes dar. Am Samstagmorgen um 830 Uhr treffen sich die Kirmesburschen und -mädels im Gasthof. Sobald die Ständchenkapelle eingetroffen ist, marschieren alle in Formation zum Haus Nummer 1 in der Hainstraße, wo schon seit einiger Zeit stets die Ständchenrunde beginnt. Vor jedem Haus erhebt ein Sprecher seinen Zylinder und hält einen Hochruf auf alle Personen, die in diesem Hause weilen. Dabei ist es für die Kirmesburschen ehrgeiziges Ziel, jede Person namentlich zu erwähnen, was manches Mal gehörige Gedächtnisleistungen erfordert und zu allerlei Verwechslungen führen kann. Nach der kurzen Ansprache spielt die stets mitwandernde Kapelle noch ein kleines Ständchen für die soeben Ausgerufenen. Wenn die Stimmung richtig gut ist, tanzen die Kirmespaare auf der Straße. Der Zug zieht dann weiter, nachdem ein kleiner Obolus in die Kirmeskasse gewandert ist, die stets von zwei  Kirmesmädchen bewacht wird. Zwei Kirmesburschen haben nebenbei eine weitere verantwortungsvolle Aufgabe. Einer muss die ganze Zeit einen Handwagen ziehen, der die gesamte Verpflegung mit allerlei Getränken enthält. Der andere trägt eine buntgeschmückte Gabel, an die erheischte Trophäen, wie Würste und Spirituosenflaschen gehangen werden. Es soll schon vorgekommen sein, dass unter der Last der Geschenke ein Gabelstiel zerbrach. Bis 1500 Uhr zieht die fröhliche Gesellschaft durch den Ort. Doch am Samstag kann trotzdem nur die Hälfte des Dorfes besucht werden. Nachdem am Tag zuvor das Unterdorf abgelaufen wurde, beginnt am Sonntagmorgen um 900 Uhr das gleiche Spiel im Oberdorf. Durch die rege Bautätigkeit im Gleichenblick, musste die Grenze am Samstag Jahr für Jahr weiter westlich gezogen werden. Obwohl die Wege immer weiter werden, hat es die Jugendkirmes noch jedes Jahr geschafft, an diesen beiden Tagen vor jedem Haus aufzutreten.

 

Die Abendbälle

Die beiden Tanzveranstaltungen am Freitag- und Samstagabend sind die Glanzlichter der Kirmes. Schon Wochen vorher beginnen die jungen Leute mit dem Schmücken des Saales. Der Saal verwandelt sich zum Tanzboden. In der Mitte der Tanzfläche hängt wie in alten Zeiten der Kirmeskranz und Girlanden ziehen sich von ihm bis in jeden Winkel des Saales. Das Bühnenbild wird jedes Jahr mit einem anderen Kirmesmotiv geschmückt und bedarf stets besonderer Sorgfalt, da es stets von ehemaligen Kirmesmitgliedern kritisch begutachtet wird.

Um 2000 Uhr beginnt der Ball mit dem Einmarsch der Kirmesgesellschaft. Ca. 5 Minuten marschieren die festlich gekleideten Paare nach überlieferter Choreographie über den Saal. Nach seiner Begrüßungsrede bittet dann der Kirmesvorstand die Paare zum ersten Walzer. Wenn dann die jungen Leute mehrere Tänze lang gezeigt haben, was sie können, ist die Tanzfläche freigegeben für alle Gäste. Die Kirmesgesellschaft ist dann nur noch der Gastgeber und es wird zusammen gefeiert. Überall im Saal kann man dann die Kirmesburschen mit ihren hohen Zylindern und die Kirmesmädchen mit den Blumen im Haar erkennen. Bleibt noch zu erwähnen, dass ständig mehrere Kirmesmitglieder Ausschau halten, ob als großzügig bekannte Nachbarn beim Tanzen sind. Für diese wird dann eine Extratour gegeben, bei der die gesamte Tanzfläche nur ihnen zur Verfügung steht. Ein Kirmespaar bringt den beiden einen Begrüßungsdrink und sie dürfen sich mit einem Spruch im Kirmesbuch verewigen. Natürlich danken die so Geehrten dies dann mit einer kleinen Spende in die Kirmeskasse. Bis spät in die Nacht dauert das Fest, doch für die Kirmesgesellschaft gibt es danach nicht viel Zeit um auszuruhen, denn am nächsten Morgen geht es auf zu den Ständchen.

 

Der Kirmesgottesdienst

Am Samstagnachmittag um 1500 Uhr zieht die Kirmesgesellschaft direkt von den Ständchen kommend mit Musik in die Kirche ein. Beim dortigen Gottesdienst erinnert der Pfarrer die jungen Leute an den eigentlichen Ursprung des Kirmesfestes. Doch zu ernst wird es auch hier nicht. Zusammen werden alte Kirmeslieder gesungen und der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass diese alte Tradition noch lange bestehen wird. Zu wünschen wäre nur, dass auch an dieser Veranstaltung mehr Gäste teilnehmen und sich an alte Sitten erinnern.

 

Die Kinderkirmes

Am Sonntagnachmittag eilen alle von den Ständchen aus Heim, um wieder in Gala auf dem Saal zu erscheinen. Dort wird den Kindern des Ortes noch einmal der traditionelle Einmarsch der Kirmesgesellschaft geboten und  ein kleiner Einblick gegeben, wie ihre Eltern am Abend zuvor den Ball erlebten. Später wird der Kindertanz mehr und mehr zur Disco, was den Geschmack der Kids wohl eher trifft. Zwischendurch gibt es für sie noch Spiele und Wettkämpfe wie Stuhlwalzer und Luftballonwettblasen, bei denen es eine Menge Preise von der Kirmesgesellschaft zu gewinnen gibt. Erst wenn die letzten Kinder nach Hause gehen, klingt das Wochenende auch für die Veranstalter langsam aus.

 

Die Seniorenkirmes

Im Jahr 1995 fand zum ersten Mal auch eine Veranstaltung für die älteren Bewohner unseres Dorfes statt. An dem Samstag, an dem auch die Nachkirmes stattfindet, wird zusammen mit dem Seniorenklub ein Nachmittagsprogramm organisiert. Die Kirmesgesellschaft lädt ab 1400 Uhr zum Kaffee. Jedes Kirmesmädel hat dazu einen Kuchen gebacken und auf allen Tischen steht eine bunte Mischung dieses Gebäcks. Auch den Senioren wird dann der traditionelle Einmarsch geboten und wenn die Paare den ersten Walzer tanzen, werden sicher alte Erinnerungen wach. Später am Nachmittag folgt dann der Höhepunkt der Veranstaltung. Der Einmarsch wird in gemischter Besetzung wiederholt. Es ist dabei stets erstaunlich zu sehen, dass die älteren Leute dabei noch nach Jahren jeden Schritt genau kennen und alles ganz ohne Probe funktioniert.

 

Die Kirmesbeerdigung

Die Nachkirmes bildet in jedem Jahr den krönenden Abschluss der (Jugend-)Kirmessaison. Der Abend beginnt, wie die beiden anderen Kirmesbälle. Doch Punkt Mitternacht wird es dunkel im Saal und man hört Glockengeläut. Die fröhliche Kirmesgesellschaft hat sich in einen Trauerzug verwandelt und zieht unter Orgelmusik in den Saal ein. Die Kleidung sieht nun gar nicht mehr festlich aus, alle Blumen sind verschwunden, mancher hat sein Jackett verkehrt herum an. Hinter dem Kreuz, an dem die Reste des Gelages hängen, schreitet ein beleibter Pater drein. Im von sechs zerlumpten Gestalten getragenen Sarg liegt die Leiche der Kirmes. Sie wird in der Mitte des Saales aufgebahrt und die Menge kniet heulend vor ihr nieder. Der Priester hält eine ergreifende Grabrede auf die nun vergangene Kirmes und schließlich wird der Sarg unter großem Gejammer wieder hinweggeschafft.

Wer nach diesen ergreifenden Szenen noch Lust verspürt, kann sich dann wieder auf der Tanzfläche vergnügen und das Fest langsam ausklingen lassen.

 

Weitere Vereinsveranstaltungen

Der Verein bemüht sich, auch außerhalb der Saison aktiv zu sein. So wurde mit der Gemeinde Apfelstädt vereinbart, das die Jugendkirmesgesellschaft den Tanz in den Mai am 30. April jedes Jahres organisiert. Vereinsintern werden im Sommer und Herbst wöchentlich Versammlungen in Vorbereitung der nächsten Kirmes durchgeführt. Ansonsten macht der Verein, wie wohl jeder andere auch, eine Weihnachtsfeier. Im Frühjahr des darauffolgenden Jahres fahren alle, die an der letzten Kirmes mitgewirkt haben, ein Wochenende weg, um den Zusammenhalt bis zur nächsten Kirmes zu festigen.


 
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